Heute ist er. Der langersehnte Tag. Nach 280 langen Tagen. Doch vom Kind noch keine Spur – von Wehen auch nicht...
Ich spreche nicht gerne vom ET (errechneter Termin) - Hebammen definieren lieber einen Geburtszeitraum - den die Zeit, in der ein Kind termingerecht zur Welt kommen darf, ist ganze fünf Wochen - drei Wochen vor dem ET, zwei Wochen danach… ganz viel Zeit! Schade, wenn man sich da auf einen Tag festlegt. Dieses eine Datum, an dem übrigens nur gerade 4% der Kinder zur Welt kommen, ist gar nicht so wichtig - und der Druck des Umfelds kann merklich vermindert werden, wenn man dieses eine Datum gar nicht so kundtut, sondern eben eher den Zeitraum "Unser Kind kommt Ende Mai, Anfang Juni..."
Eben, nun ist die Schwangere aber an diesem ET. Nicht selten sind Mütter (und oft noch viel mehr das gesamte Umfeld) etwas ernüchtert, aber immer noch zuversichtlich: «Jetzt kann es nicht mehr lange dauern…»
Wir Hebammen haben die Aufgabe, die Frauen zu ermutigen, zu unterstützten, und das Prozedere zu klären. Ja, wenn es Mutter und Kind gut geht, spricht gar nicht dagegen, noch etwas länger zu warten… eigentlich spricht nichts dagegen, 14 Tage zu warten…. Eigentlich. Denn dazu muss es Mutter und Kind gut gehen, und auch das betreuende Team muss eine gewisse Entspannung an den Tag legen, damit man bis zum Schluss warten darf.
5 Tage später ist das Baby immer noch dort, wo es gemäss Termin nicht mehr sein sollte – immer noch im Bauch, ihm scheint wohl zu sein. Es folgen altbekannte (und mitunter auch exklusive Geheim-)Hebammentipps. Es gibt viele natürliche Einleitungsmethoden. Es gibt Frauen, welche bereits beim ersten Tipp mit Wehen zurückkommen – andere sind nach Tagen immer noch schwanger – dafür Expertinnen was natürliche Einleitung betrifft. Und nun kommt das, was keine Frau gerne hört: «Falls ihr Baby nicht in ein paar Tagen von alleine kommt, werden wir die Geburt einleiten...», so der Arzt. Und Einleiten wäre so gar nicht das, was sich die meisten Frauen wünschen… Nun beginnt der «innere Druck» – als würde nicht schon alles genug drücken und kneifen in der Beckengegend…
10 Tage… nichts. Häufig wird - und dies leider – schon ab dem 7. Tag eingeleitet. Es gibt aber viele Spitäler, welche am 10.Tagen beginnen – dem Kind ein erstes «Müpfli» geben.
Wenn die Frau möchte, kann auch länger zugewartet werden, dies muss aber gut abgeklärt und begründet sein – eigentlich schade. Ich ermutige die Frauen oft, auf ihr Inneres zu hören, und sich nicht verunsichern zu lassen. VIIIIEL einfacher gesagt als getan.
Die Geburtshilfe heute kommt – so macht es den Anschein oder wir freischaffenden Hebammen reden uns dies ein – doch wieder eher in seinem Ursprung daher, ein eigentlich sehr natürlicher Prozess – wenn nicht sogar der Natürlichste überhaupt 😉. Immer mehr wird zugewartet… uns freuts! Nicht immer aber die werdenden Eltern. Denn nun, so langsam ist man ungeduldig, müde, enttäuscht. Der Druck vom Umfeld ist nicht zu unterschätzen: «Was, du bist immer noch schwanger?» «Hast du nicht Angst, dass etwas nicht stimmt?» «Dein Kind wächst doch jetzt sooo fest, oh je, du Arme, musst das dann gebären….» Oh danke, das hört man gerne. Als würde sich die Frau nicht schon genug Druck machen. Auch der Vater so langsam etwas kribblig, hat er doch bereits seit Tagen seinen lang geplanten Vaterschaftsurlaub (haha, als den einen grosszügigen Tag hat er schon vorbei, er hat einfach sonst Urlaubstage beziehen müssen). Und nun warten alle, und jedes noch so laute Seufzen (und von denen brauchts die Tage viele) sind alle bereit: «Wehen? Doch noch? «
Ja, das ist, wie wenn man auf etwas wartet – und wie ist es, wenn man wartet? Eben, es geht ewig.
Ich möchte dich, liebe wartende Mutter, ermutigen: Gibt nicht auf, gib deinem Kind die Chance, seinen Geburtstag selbst zu wählen. Gib deinen Körper die Chance, Wehen zu machen, natürliche Wehen zu spüren… du wirst schon spüren, wann es an der Zeit ist, eben doch einzuleiten – deine Hebamme wird dies sicher gut mit dir besprechen. Jede Geburt ist anders – also ist auch nicht jede Einleitung sooo viel schlimmer, wie man es manchmal hört von anderen Frauen. Einleitungen machen durchaus auch Sinn… Ein gutes Team ist die halbe Mitte – such’ dir deine «Mitspieler» also weise aus 😉
Und freu dich, mit etwas Geduld, wirst du ganz bald nicht nur stolzes Mami mit deinem Bebe in den Armen, du wirst über die hinausgewachsen sein, weil du die Ungeduld ausgehalten hast…